Think Tank-Diskussion

Virtuelle und hybride Kongresse: Kurzfristige Notwendigkeit oder Weg in die Zukunft?

AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2020/02)

Diese Frage diskutierten im gleichnamigen Think Tank Thomas Wasshuber, Managing Partner STEINERLIVE.com, Sina Bünte, Events Manager International Congress and Convention Association (ICCA), Barbara Langebner, CRM & Congress Coordinator Roche Austria GmbH, sowie Lydia Schnedl, Project Coordinator Sea to Sky Meeting and Association Management Vancouver, bei der diesjährigen Convention4u virtual edition

Dass virtuelle Aspekte in Zukunft bei Veranstaltungen einen höheren Stellenwert haben werden, ist schon länger der allgemeine Konsensus der Branche. Mit der Plötzlichkeit für eine notwendige Umstellung hatten allerdings die Wenigsten gerechnet. Damit ging die Änderung der Programminhalte einher: Sessions mussten gekürzt, das Meeting-Design musste an das Programm und die Inhalte an die Situation angepasst werden. Auch technische Einzelheiten stellten oft eine große Herausforderung in der Planung dar, da die Planungsintensität in diesem Bereich unterschätzt wird: Immer wieder wird davon ausgegangen, dass virtuelle Veranstaltungen weniger Vorbereitung erfordern. Thomas Wasshuber hierzu: „Ich glaube sogar das Gegenteil ist der Fall: Virtuelle Veranstaltungen verlangen noch etwas mehr an Konzentration, Fokus und Übung.“ Aber: Die situationsbedingte Notwendigkeit hat bei vielen VeranstalterInnen Probierfreudigkeit ausgelöst und so konnten die ersten Berührungsängste mit Online-Veranstaltungen überwunden werden. 

Von Herausforderungen und Chancen  

Die neue Situation brachte einige positive Aspekte mit sich, denn so war es z.B. auf einmal möglich, TeilnehmerInnen zu erreichen, die den Kongress aufgrund von Kosten oder Reisebeschränkungen normalerweise nicht besucht hätten. Auch, dass die An- und Abreisezeit wegfällt, bedeutet eine Erleichterung für viele TeilnehmerInnen. Weiterhin können die Inhalte so aufbereitet und aufgenommen werden, dass sie auch lange noch nach dem Kongress zur Verfügung stehen und somit zu einer nachhaltigeren Wissensvermittlung führen.
Barbara Langebner hierzu: „Was für uns immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist, dass der Kongress kein punktuelles Erlebnis mehr, sondern eher linear ist. Es ist eine gewisse Vorbereitung nötig, aber dann kann man eine Veranstaltung über verschiedene Kommunikationskanäle länger begleiten.“ All diese Aspekte führen dazu, dass TeilnehmerInnen Online-Veranstaltungen allgemein äußerst positiv wahrnehmen. 

Allerdings bringen rein virtuelle Kongresse auch einige negative Aspekte mit sich, die zu beachten sind: Vor allem die Möglichkeiten zu persönlichem Networking und face-to-face Kontakt fehlen, sowohl für TeilnehmerInnen als auch SponsorInnen bzw. stellen eine besondere Herausforderung in der Umsetzung dar. So bieten zwar auch viele Online-Tools einen Ausstellungsbereich an, jedoch ist der reale Austausch in diesem Bereich nur schwer ersetzbar. Teilweise wird versucht, diesen Nachteil durch 3D-Darstellungen zu kompensieren, allerdings hat dies häufig lediglich einen ablenkenden Effekt. Sind die virtuellen Messebesuche in den Pausen der Veranstaltungen angedacht, führt dies häufig auch dazu, dass TeilnehmerInnen diese Zeit eher nutzen um sich zu vernetzen, anstatt das Ausstellungsangebot wahrzunehmen. Diese Hürden führen dazu, dass das Verkaufen der virtuellen Marktstände eine große Herausforderung darstellen kann, da auch Erfahrungswerte aus den Vorjahren zur Anzahl von Standbesuchern etc. oft noch nicht vorhanden sind.  

Inhaltlich kann auf kreative und spielerische Aspekte gesetzt werden mit Tools und Formaten. So ist es z.B. möglich online gemeinsam zu brainstormen (www.mural.com) oder an Whiteboards zu arbeiten (www.miro.com). Zur Auflockerung am Kongressbeginn kann man z.B. „Show your Coffee Mug“ oder Karaoke Sessions integrieren. Sina Bünte: „Das hat super Spaß gemacht, die Leute verbunden und Erinnerung geschafft an unsere face-to-face Events.“ Am besten funktionieren diese Lösungen jedoch bei kleinen Gruppen. Aus TeilnehmerInnensicht fehlen neben dem Wiedersehen mit alten Bekannten vor allem auch die Zufallsbekanntschaften, die normalerweise z.B. beim Kaffeeautomat entstehen. Auch diese können durch Networkingfunktionen der Tools nur teilweise ersetzt werden.  

Live und virtuell = doppelte Kosten? 

Hybride Kongresse schaffen es, Vorteile von virtuellen und physischen Veranstaltungen zu verbinden: Während Inhalte langfristig aufbereitet werden können, eine hohe Reichweite erzielt werden kann und die Reisezeit teilweise drastisch reduziert wird, kann trotzdem zumindest teilweise ein face-to-face Kontakt und persönlicher Austausch stattfinden. Eine Möglichkeit bei internationalen Kongressen stellen hier z.B. Satellitenevents dar, bei denen sich TeilnehmerInnen in sogenannten „Hubs“ auf verschiedenen Kontinenten treffen während die Inhalte virtuell zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch oft doppelte Kosten: Während für die realen Treffen die Kosten einer regulären Veranstaltung anfallen, kommt ein zusätzlicher technischer Aufwand (für z.B. Streaming- oder Interaktionstools) dazu. Bezogen auf den Nutzen oder die Reichweite können sich diese Zusatzkosten jedoch relativieren, wodurch auch die Kosten pro TeilnehmerIn bei virtuellen oder hybriden Veranstaltungen deutlich niedriger sein können. Weiterhin kann die zusätzliche Reichweite zu mehr Einnahmen aus Registraturgebühren führen. Auch die zusätzlichen Möglichkeiten, die durch die Nutzung einer virtuellen Plattform entstehen, sind zu bedenken. Thomas Wasshuber hierzu: „Der Aufwand mag bei hybriden Veranstaltungen größer sein, allerdings ist der Nutzen und die Reichweite eine größere.“

Sind Hybrid Meetings gekommen um zu bleiben?

 Bei diesem Punkt waren sich die TeilnehmerInnen des Think Tanks einig: Das Thema virtuelle und hybride Kongresse wird uns auch nach einem Abflachen der Covid-19 Pandemie erhalten bleiben. Die Tools werden sich verbessern und Teil der Normalität werden, da bei den TeilnehmerInnen auch eine gewisse Erwartungshaltung diesbezüglich entstehen wird bzw. bereits entstanden ist. Hybride Kongresse stellen hierbei eine gute Lösung dar, um Inhalte virtuell zu verpacken aber den persönlichen Kontakt nicht zu verlieren. Sina Bünte hierzu: „Ich sehe in unserer Industrie [...] noch viel Unsicherheit, denn es ist etwas neues, aber ich sage immer: Probiert es aus, habt keine Angst, testet sehr viel und nehmt an Events teil.“ 

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